Auf dem Weg zum modernsten Landkreis Deutschlands!

Christian Engelhardt, Landrat des Landkreises Bergstraße, Hessen im Gespräch mit dem jungen Unternehmen SCOPEWISE aus Lorsch über die DIGITALISIERUNG, das BAUEN und die Bedeutung der NACHHALTIGKEIT und deren Herausforderungen.

Christian Engelhardt ist ein deutscher Rechtswissenschaftler und Politiker. Seit 2015 ist er Landrat des Landkreises Bergstraße in Hessen.
Max Böhler ist Co-Founder der SCOPEWISE GmbH, ein junges Unternehmen aus Lorsch, das ein digitales Expertensystem für Bauherren von komplexen Gebäuden entwickelt.

SCOPEWISEWas kann Sie zum modernsten Landkreis Deutschlands machen?

C. Engelhardt: Die Erkenntnis und Überzeugung, dass die Modernität Mehrwerte für die Menschen u. a. in deren Arbeit bringt. Unser Ziel ist alle Abteilungen und deren Prozesse zu digitalisieren. Wichtig dabei ist, dass die Verwaltungsspitze eine entsprechende Affinität zur Digitalisierung haben muss. Das heißt er erkennt den Mehrwert von digitalen Prozessen. Wenn die oberste Entscheidungsebene nicht offen für die Digitalisierung ist, dann werden es die Abteilungen schwer haben, sich zu digitalisieren. In unserem Landkreis haben wir damit bereits sehr früh angefangen. Natürlich gab es zu Anfang auch Widerstand unter Teilen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, diese deutlichen Veränderungen mitzumachen. Man merkte aber schnell: Sobald sich jedoch die Erfahrung durchsetzt, dass es die eigene Arbeit besser bzw. effizienter macht, dann ist die Eigendynamik der Mitarbeiter/-innen in diesem Veränderungsprozess eine wunderbare Erfahrung. Unser Job Center z. B. war eine der ersten Abteilungen, welche wir auf digitale Prozesse umgestellt hatten. Dadurch erhielt diese Abteilung eine Vorzeige Rolle beispielhaft für andere Abteilungen. Als nächstes kommt die künstliche Intelligenz – ein Chatbot - für Anfragen im schulischen Bereich.

SCOPEWISEWobei können wir Ihren Landkreis am besten in diesem Veränderungsprozess unterstützen?

C. Engelhardt: Indem Sie Lösungen entwickeln, mit deren Hilfe Arbeitsprozesse in der immer komplexer werdenden Arbeitswelt entlastet werden. Wichtig ist, dass Sie die wirklichen Bedürfnisse meiner Mitarbeiter/-innen erkennen und dafür eine effiziente Lösung finden.

SCOPEWISEWie kann der Landkreis ein Startup wie uns unterstützen?

C. Engelhardt: Die beste Unterstützung ist sicherlich, wenn ein Produkt überzeugt und von Kunden ausgewählt und eingesetzt wird, und die Weiterentwicklung durch die Kunden mit Branchenwissen unterstützt wird. Wenn wir als Kreisverwaltung zum Beispiel einen Mehrwert in digitalen Instrumenten sehen, dann unterstützen wir als öffentlicher Partner junge digitale Unternehmen gerne – im Besonderen, wenn Sie aus unserem Landkreis kommen. Mir als Landrat ist der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen mit Pioniergeist besonders wichtig. Das zeige ich auch in meinem persönlichen Engagement in der regionalen Wirtschaftsförderung.

SCOPEWISE: Wo sehen Sie die Grenzen des Machbaren in der Digitalisierung?

C. Engelhardt: Grenzen des Machbaren in der Digitalisierung gibt es m. E. nicht wirklich – vielmehr verschieben sich die Grenzen des Machbaren stetig wie z. B. in der Kommunikation zwischen den Menschen. Die zahlreichen Videokonferenzen mit den etablierten Tools haben das eindrucksvoll gezeigt. Die Bereitschaft zu disruptiven Prozessen ist heutzutage wichtiger denn je. Sätze wie „das haben wir doch immer schon so gemacht“ dürfen und sollen nicht mehr so akzeptiert werden nur um Veränderungen zu vermeiden.

SCOPEWISE: Welche Herausforderungen und Risiken sehen Sie insbesondere bei der Planung und Erstellung von Bauwerken?

C. Engelhardt: Die größten Risiken sehe ich in der langen Planungs- und Bauphase von unseren zahlreichen Projekten. Gerade in unserer Zeit ändern sich die Bedürfnisse der Nutzer unserer Gebäude rasant schnell. Hier kann ich ein treffendes Beispiel benennen. Gerade eben haben wir das Raumfunktionsbuch für unser neues Lessinggymnasium fertiggestellt. Geplante Fertigstellung des Projektes ist in ca. 10 Jahren. Ob das Raumfunktionsbuch in 10 Jahren noch aktuell ist und den Anforderungen der Nutzer entspricht kann derzeit keiner von uns garantieren. In den langen Projektphasen ändern sich nicht nur die Bedürfnisse der Nutzer, sondern auch die Kosten, die technischen Anforderungen sowie Gesetze und Normen. Diese Veränderungen erschweren unsere Planungssicherheit enorm. Hinzu kommt die Erwartungshaltung vieler, dass Änderungen im Projekt quasi kostenfrei ermöglicht werden sollen. Daher haben wir nur die Chance so viele Entscheidungen wie möglich in einer guten Leistungsphase 0 vorweg zu treffen, wie es Ihr Lösungsansatz unter anderem vormacht.

SCOPEWISEIn der Immobilien- und Baubranche werden Stimmen immer lauter, die eine Änderung von Planungsprozessen sprechen. Welche Veränderungen wünschen Sie sich in diesem Bereich?

C. Engelhardt: Ich wünsche mir, dass die Nutzer haptisch und visuell besser in den Planungsprozess einbezogen werden. Oft werden Ziele und Funktionen der Nutzer aus irgendwelchen Gründen vergessen. Die Enttäuschung bei Fertigstellung und Bezug der Gebäude ist leider oft recht groß. Die öffentlichen Bauten und die Funktionsziele der Nutzer stimmen leider oft nicht überein. Aber gerade für diese Unstimmigkeit verspricht Ihre Software ja eine Lösung. Ich bin schon sehr auf das Feedback meiner Mitarbeiter/-innen gespannt, wenn Ihre Software einsatzbereit und angewendet wird.

SCOPEWISEDie Nachhaltigkeit wird in den nächsten Jahren rund um den Bau zentrales Thema werden. Die „Sustainable Development Goals“ der UNO, Environmental Due Diligence (EDD), Environmental Social Governance (ESG), ein geforderter Materialpass und ein Rückbauzertifikat für Gebäude sind Begriffe, die uns zeitnah intensiv beschäftigen werden. Wo sehen Sie in Ihrem Landkreis Möglichkeiten einen großen Beitrag für die Nachhaltigkeit im Gebäudebereich leisten zu können?

C. Engelhardt: Eines der Hauptziele ist für uns alle die Reduzierung von CO2. In Zukunft müssen Energie- und Industrieunternehmen ein Zertifikat für jede Tonne Kohlendioxid kaufen. Der Bau ist einer der großen CO2 Verursacher. In dieser Branche wird der Einsatz von ressourcenschonenden und CO2 neutralen Materialen immer mehr zum zentralen Thema. Auch die Frage wie sich Baumaterialien auf den Betrieb von Gebäuden auswirken muss in Zukunft bereits bei der Planung beantwortet werden. Da werden auch wir als Bauherr und Gebäudebetreiber stark in die Verantwortung genommen. Die Art und Weise, wie die Gebäude genutzt werden sollen wird in Zukunft stark von dem ganzheitlichen Gedanken unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit und der begrenzten Ressourcen geprägt werden. Ein weiterer wesentlicher Brennpunkt in unserem Landkreis ist der ständige Konflikt zwischen der Nutzung des Ackerbodens und dem Umweltschutz. Eine breite Flächenversiegelung der Randzonen von unseren Städten soll vermieden werden. Folge hierfür sind Nachverdichtungen im Städtischen Umfeld und grüne Dächer als Lebensraum im urbanen Umfeld. Es gib hier noch viel zu tun.

SCOPEWISEHerr Landrat Engelhardt, wir danken Ihnen für das Gespräch (Dezember 2020)


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